Ordensverleihung zum Tag des Ehrenamtes

Schwerpunktthema: Bericht

3. Dezember 2021

Der Bundespräsident hat am 3. Dezember in Schloss Bellevue acht Frauen und sieben Männer mit dem Verdienstorden ausgezeichnet. Unter dem Motto "Engagement in der Einwanderungsgesellschaft" würdigte er zum Tag des Ehrenamtes ihren herausragenden Einsatz für das Zusammenleben in Deutschland. Die 15 Bürgerinnen und Bürger haben sich in der Hilfe für Geflüchtete, für die Integration von Zuwanderern, sowie durch ihren Einsatz für Frauenrechte, den interreligiösen Dialog und bessere Bildungschancen verdient gemacht.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verleiht den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland zum Tag des Ehrenamtes unter dem Motto "Engagement in der Einwanderungsgesellschaft" an Turgay Tahtabas.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 3. Dezember in Schloss Bellevue acht Frauen und sieben Männer mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Unter dem Motto Engagement in der Einwanderungsgesellschaft würdigte er zum Tag des Ehrenamtes ihren herausragenden Einsatz für das Zusammenleben in Deutschland.

Die 15 Bürgerinnen und Bürger wurden geehrt, weil sie sich in der Hilfe für Geflüchtete, für die Integration von Zuwanderern, sowie durch ihren Einsatz für Frauenrechte, den interreligiösen Dialog und bessere Bildungschancen verdient gemacht haben.

Folgende Bürgerinnen und Bürger wurden ausgezeichnet:

Bjeen Alhassan, Hessen
Verdienstmedaille

Bjeen Alhassan floh 2014 vor Krieg und Gewalt aus ihrer syrischen Heimat nach Deutschland. Heute hilft sie anderen Frauen, sich hier besser zurecht zu finden. Auf Facebook hat sie das Projekt Lernen mit Bijin ins Leben gerufen und unterstützt damit Migrantinnen beim Deutsch lernen. Darüber hinaus hilft Bjeen Alhassan bei Alltagsproblemen wie Behördengängen, im Arbeitsleben oder bei Bildungs- und Gesundheitsfragen. Im Mittelpunkt stehen dabei frauenspezifische Fragen. Insbesondere während des Lockdowns war ihre Gruppe für viele Mitglieder die einzige Möglichkeit Deutsch zu lernen. Bjeen Alhassan, die inzwischen ihr Studium in Deutschland mit einem Master in Business Administration abgeschlossen hat, ist für viele Frauen ihrer Facebook-Gruppe eine wichtige persönliche Hilfe und ein starkes Vorbild, wie man in der neuen Heimat erfolgreich Fuß fassen kann.

Roonak Aziz, Nordrhein-Westfalen
Verdienstkreuz am Bande

Vor 25 Jahren kam Roonak Aziz als Asylberechtigte nach Deutschland. Seither engagiert sie sich für ihre Mitmenschen, vor allem für Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Sie begann ihren Einsatz im Café International der evangelischen Kirchengemeinde und ist bis heute aktiv: etwa im Verein Goldrut, einem Migrantinnen-Netzwerk gegen häusliche Gewalt, und in der Migrantinnen-Selbstorganisation Irakisch-Kurdischer Sport- und Kulturverein, dessen Vorsitzende sie seit 2011 ist. Sie setzt auf Integration durch Sport und ermutigt und ermöglicht durch Sportkurse für Mädchen und Frauen, dass diese ihre häufige häusliche Isolation verlassen und sich vernetzen können. Auch kommunalpolitisch ist Roonak Aziz aktiv, so zum Beispiel im Integrationsrat der Stadt Düren und beim Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen. Bei der Aufnahme von Geflüchteten 2015/16 half sie bei der Organisation in den Aufnahmeeinrichtungen und fungiert seitdem als Dolmetscherin.

Sigrid Berenberg, Hamburg
Verdienstkreuz am Bande

Sigrid Berenberg ist seit über dreißig Jahren ehrenamtlich in der Hansestadt aktiv. So war sie Gründungsmitglied und Vorsitzende des Vereins Familienplanungszentrum und eine der Initiatorinnen und Organisatorinnen von Kultwerk West, einem Kulturraum für alle, einem öffentlichen Wohnzimmer für anregende Begegnungen. Besonders verdient gemacht hat sich Sigrid Berenberg mit Schotstek, einem Stipendiatenprogramm für begabte Studentinnen und Studenten mit Migrationshintergrund. Der Schotstek ist ein Seemannsknoten, der zwei ungleichstarke Enden miteinander verbindet. Mit dem Projekt Schotstek hat Sigrid Berenberg ein Netzwerk geschaffen, das neben Coaching und Unterrichtseinheiten jungen Menschen den Zugang zu Hamburgs Entscheidern aus allen Bereichen der Gesellschaft eröffnet. Das fördert die Chancengleichheit und sorgt für mehr Bildungsgerechtigkeit.

Tatjana Feßler, Baden-Württemberg
Verdienstkreuz am Bande

Die Integration und Unterstützung von sozial Schwachen ist Tatjana Feßler eine Herzensangelegenheit. Seit zehn Jahren gestaltet sie das Programm der Nachbarschaftliche Selbsthilfe mit. Insbesondere das Sommerferienprogramm trägt ihre Handschrift. Im Interkulturellen Netzwerk Elternbildung Tübingen ist Tatjana Feßler als geschulte Multiplikatorin eine wichtige Brücke zwischen Familien mit Zuwanderungsgeschichte und Schule. Sie ist für die Eltern Ansprechpartnerin in Schulfragen, begleitet sie bei Lehrergesprächen und Elternabenden und kann bei Sprachbarrieren russischsprachiger Eltern helfen. Darüber hinaus war sie Mitgründerin des russischen Vereins Integration und Kultur e.V. Tübingen, dessen Vorsitzende sie ist und der das Elterncafé Kurzer Draht – Guter Rat veranstaltet. Auch im Tübinger Integrationsrat und am Runden Tisch Kinderarmut war sie eine starke Stimme für die Schwächsten in ihrer Stadt.

Dr. Mercedes-Christine Hillen, Berlin
Verdienstkreuz am Bande

Mercedes-Christine Hillen war viele Jahre Mitglied im Vorstand, Geschäftsführerin und Ärztliche Leiterin des Behandlungszentrums für Folteropfer, heute "Zentrum Überleben gGmbH". Neben der medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung von Traumata legte sie einen Schwerpunkt auf Integration über Bildung, Arbeit und ein selbstbestimmtes Leben. In Kooperation mit Vivantes hat sie die Berufsfachschule "Paulo Freire" gegründet, in der bildungsbenachteiligte junge Migrantinnen und Migranten ausgebildet werden. Flankierend werden Nachhilfe, Sprachförderung, soziale Beratung und Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf angeboten. 2015 schuf Mercedes-Christine Hillen zudem in Berlin-Moabit ein Akutprogramm für Geflüchtete mit ärztlicher, psychotherapeutischer und sozialer Hilfe.

Derviş Hizarci, Berlin
Verdienstmedaille

Die "Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus e.V." (KIgA) entwickelt innovative Konzepte für die pädagogische Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus. Derviş Hizarci ist deren Vorsitzender und hat die KIgA zu einer auch international angesehenen Institution im Kampf gegen den Antisemitismus sowie für den jüdisch-muslimischen Dialog entwickelt. Als gläubiger Muslim ist er Vorbild für viele muslimische Jugendliche. Er ist Vorsitzender der "Bundesarbeitsgemeinschaft religiös begründeter Extremismus e.V.", engagierte sich bei JUMA (jung-muslimisch-aktiv), berät den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung und hat die "DialoWG" gegründet. In der jüdisch-muslimischen Wohngemeinschaft leben Menschen für acht Tage miteinander und lernen die jeweils andere Kultur und Religion kennen, denn Dialog ist die beste Form, um Vorurteile und Stereotypen zu überwinden.

Ernes Kalač, Hessen
Verdienstkreuz am Bande

Ernes Kalač gründete 2002 den integrativen Gesundheits- und Kampfsportverein "Lotus Eppertshausen e.V.". Seine besondere Förderung gilt Menschen mit Behinderung und all jenen, die – wie einst er selbst – aus ihrem Heimatland nach Deutschland fliehen mussten. Betroffenen Kindern werden Sportausrüstungen gestellt und die kostenlose Vereinsmitgliedschaft ermöglicht. Zudem organisiert Ernes Kalač für sie Ferienfreizeiten und Kinonachmittage. Darüber hinaus entwickelte er das Integrationsprojekt "Karate für Menschen mit Behinderung" auf Bundesebene. Für den Deutschen Karateverband ist er inzwischen Beauftragter für Menschen mit Behinderung und Ansprechpartner des Paralympischen Komitees. 2016 gründete Ernes Kalač ein Karate-Flüchtlingsteam bei der World Karate Federation, von denen zwei Athleten sogar für das Flüchtlingsteam des Internationalen Olympischen Komitees für die Olympischen Spiele in Tokio nominiert wurden.

Prof. Dr. Yasemin Karakaşoğlu, Bremen
Verdienstkreuz am Bande

Sie hat in ihrer Arbeit die Bedingungen glückender Integration aufgezeigt. Mit diesen Worten ist die Dissertation zur Religiosität junger muslimischer Frauen von Yasemin Karakaşoğlu beschrieben worden, für die sie 2000 den Augsburger Wissenschaftspreis erhalten hat. Als frühe und streitbare Vertreterin der Migrationsgesellschaft setzt sie sich für die gesellschaftliche und politische Partizipation von Muslimen in Deutschland ein. Die Erziehungswissenschaftlerin versteht sich als wissenschaftliche und soziale Brückenbauerin, die zum guten Miteinander aller beitragen möchte. Sie ist unter anderem Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Islamkolleg Deutschland, im Fachbeirat des Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland aktiv und engagierte sich als Vorsitzende im "Rat für Migration e.V."

Dr. Wolfgang Kauder, Hessen
Verdienstkreuz am Bande

Der Eintritt in den Ruhestand bedeutete für den Arzt Wolfgang Kauder nicht Füße hochlegen und den Rest des Lebens genießen, sondern sich für die Menschen einzusetzen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. In Darmstadt gründete er die Malteser Medizin für Menschen ohne Krankenversicherung, eine Einrichtung, in der Menschen ohne Aufenthaltsstatus, aber auch Wohnungslose und Einheimische ohne Krankenversicherung kostenlos medizinisch behandelt werden. Fast 10.000 Menschen wurden bisher dort versorgt. Es gelang Wolfgang Kauder über 70 Ärztinnen und Ärzte von der Mitarbeit zu überzeugen. Dabei ist er die treibende Kraft und bei fast jeder Sprechstunde persönlich anwesend. Neben Ärzten konnte er auch Apotheker, Optiker und Juristen zum Mitmachen gewinnen. Auch einen Konsiliararztkreis mit niedergelassenen Fachärzten hat er inzwischen aufgebaut, denn medizinische Hilfe soll niemals daran scheitern, dass einem Menschen Pass, Geld oder Krankenversicherung fehlen.

Jana Michael, Mecklenburg-Vorpommern
Verdienstkreuz am Bande

Jana Michael setzt sich seit fünfzehn Jahren unermüdlich für die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund ein, vor allem für Frauen und Kinder. Als Gründungsmitglied des Vereins "Tutmonde e.V." leistet sie nicht nur praktische Hilfe in Stralsund, sondern setzt sich auch dafür ein, dass Kommunen für globale entwicklungspolitische Ziele aktiv werden. Als Gründungsmitglied und Sprecherin von "Migranet-MV" steht Jana Michael inzwischen einem Netzwerk von rund sechzig Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in Mecklenburg-Vorpommern vor. Seminare, Workshops und Fortbildungen prägen ihre Arbeit, darunter Ausstellungen und Veranstaltungen zum antimuslimischen Rassismus und zum Antisemitismus. Während der Corona-Pandemie nähte Jana Michael mit Vereinsmitgliedern Masken für Geflüchtete in den Gemeinschaftsunterkünften, denn die praktische Hilfe für Menschen in Not ist für sie das Wichtigste.

Sandra Rieck, Mecklenburg-Vorpommern
Verdienstkreuz am Bande

Als Gründungsmitglied, Geschäftsführerin und Vorstand des Vereins Das Boot Wismar e.V. setzt sich Sandra Rieck seit dreißig Jahren für Menschen mit insbesondere psychischen Behinderungen ein. So konnte im Laufe der Zeit eine Tages- und Begegnungsstätte, eine psychosoziale Wohngruppe, ein Wohnheim und ein Integrationsunternehmen mit Arbeitsplätzen in Gastronomie sowie Garten- und Landschaftspflege geschaffen werden. Als 2015 viele Menschen vor Krieg und Gewalt nach Deutschland flüchteten, weitete Sandra Rieck ihr Engagement aus. Sie half beim Aufbau und Einrichten einer Notunterkunft des Deutschen Roten Kreuzes in Wismar, bot Sprachkurse an und gründete eine Laufgruppe für Geflüchtete. In den Räumlichkeiten von Das Boot schuf sie Begegnungsmöglichkeiten für Geflüchtete, initiierte ein ehrenamtliches Sprachcafé und ermöglichte psychosoziale Betreuung.

Mark Sauer, Schleswig-Holstein
Verdienstkreuz am Bande

1992 verübten Rechtsextremisten in Mölln einen furchtbaren Brandanschlag, bei dem drei Menschen getötet und neun schwer verletzt wurden. Mark Sauer war damals 24 Jahre alt und entschloss sich etwas für das friedliche Zusammenleben und gegen Rechtsextremismus zu tun. Er gründete mit anderen den Verein "Miteinander Leben e.V.", dessen Vorsitzender er seit nunmehr fünfzehn Jahren ist. Auf seine Initiative wurde auch das Jugendbildungswerk "OPEN MIND" ins Leben gerufen, durch das bisher mehr als 7.000 Schülerinnen und Schüler Zeitzeugen des Holocaust begegnen, Exkursionen zu Gedenkstätten durchführen und Ausstellungen zum Völkermord an den Juden erarbeiten konnten. Mark Sauer ist außerdem Mitorganisator der Regionalkonferenz Rechtsextremismus und Demokratieförderung und hat das Bündnis gegen rechtsextreme Aktivitäten in Ratzeburg und Umgebung mitgegründet, damit Rassismus und Antisemitismus keinen Platz in unserer Gesellschaft findet.

Albert Stoffer, Saarland
Verdienstkreuz am Bande

Seit mehr als vierzig Jahren engagiert sich Albert Stoffer für die Schwächsten unserer Gesellschaft: für Kinder. In den 1970er Jahren tritt er dem Deutschen Kinderschutzbund bei und wird für einige Jahren dessen Landesvorsitzender im Saarland. Er besucht Waisenkinder im Krankenhaus und sammelt und repariert Spielzeug für bedürftige Kinder. Nach Ende des Vietnamkrieges 1975 betreut er auf eigene Kosten und eigene Verantwortung vietnamesische Kriegsflüchtlinge und fährt jeden Tag nach seiner Arbeit zu ihnen. Parallel kümmert er sich um Asylbewerber. Er erledigt Behördengänge, begleitet bei Arztbesuchen und versorgt die Menschen mit allem, was sie benötigen. Auch während der letzten Jahre hat Albert Stoffer in seinem großen Engagement nicht nachgelassen. Damit hat er mit dazu beigetragen, dass die Versorgung, Betreuung und Integration von Geflüchteten im Saarland so erfolgreich sind.

Turgay Tahtabaş, Nordrhein-Westfalen
Verdienstkreuz am Bande

Das Engagement von Turgay Tahtabaş ist vielfältig. Er ist Mitglied im Integrationsbeirat, ist im Kulturbüro der Stadt Essen aktiv und er engagiert sich in Initiativen und Fördergruppen für die interkulturelle Begegnung und die Integration – auf kommunaler, regionaler und Landesebene. Zudem ist er Bildungsbotschafter der Türkischen Gemeinde in Deutschland sowie Gründer und Geschäftsführer von Zukunft Bildungswerk in Essen. Hier hilft er, das Sprachniveau von Kindern mit Migrationshintergrund zu verbessern und die Lese- und Rechtschreibkompetenzen zu fördern. Ziel ist es, Kinder vom Kindergarten bis zur Oberschule zu fördern. In diesem Jahr hat Turgay Tahtabaş eine Corona-Homeschooling-Hotline eingerichtet, denn gerade während der Pandemie brauchen viele Kinder engagierte Unterstützung für ihren Bildungserfolg.

Andreas Tölke, Berlin
Verdienstkreuz am Bande

Geflüchtete in Aufnahmeeinrichtungen und Notunterkünften zu betreuen, dazu waren 2015 glücklicherweise viele Menschen bereit. Andreas Tölke ist noch einen Schritt weiter gegangen. Er nahm insgesamt 400 geflüchtete Menschen vorübergehend in seiner Wohnung auf und vermittelte rund 2.000 Übernachtungen in privaten Unterkünften. Daraus entwickelte sich der Verein "Be An Angel e.V.", dessen Vorsitzender er ist. Mittlerweile bietet der Verein das gesamte Spektrum von Behördenbegleitung bis Jobvermittlung an, aber auch noch mehr: zum Beispiel das Restaurant Kreuzberger Himmel. Es bietet syrische Küche, Platz für Menschen aller Kulturen, Religionen und Nationalitäten sowie Ausbildungs- und Arbeitsplätze für Geflüchtete. Erweitert wurde das Restaurant um das Deli Himmel 8 und seit Beginn der Corona-Pandemie leistet der Kreuzberger Himmel von Andreas Tölke weitere Hilfe: Hier werden obdachlose Menschen mit einem kostenlosen Essen versorgt.